Am Sonntag, 9. April 2017 besuchte Bezirksapostel Wolfgang Nadolny die Gemeinde Angermünde. Im Verlaufe des Gottesdienstes spendete er einem Kleinkind das Sakrament der Heiligen Versiegelung und ordinierte einen Diakon zum Priester für die Gemeinde. Mit dabei waren hörgeschädigte Kirchenmitglieder aus Berlin und Brandenburg.
Es ist kalt an diesem Sonntagmorgen. Der Backsteinbau der Neuapostolischen Kirche in Angermünde wird von der Morgensonne angestrahlt. Gottesdienstbesucher laufen vom nahegelegenen Parkplatz durch die verkehrsberuhigte Straße. Vor dem Gottesdienst singen die Kinder. "Manche Menschen können viele Sachen", singen sie. Und zeigen dann auf, was Gott alles erschaffen kann: Sonne, Mond und Sterne, einen Vogel. Auch sie haben sich auf die Besucher eingestellt und zeigen diese Dinge, ausgeschnitten aus Pappe und angemalt, denn Bezirksapostel Wolfgang Nadolny hat auch hörgeschädigte Mitglieder der Kirche zum Gottesdienst eingeladen. Sie sitzen in den ersten Reihen des Kirchensaals, bekommen das Geschehen in die Gebärdensprache übersetzt.
Bezirksapostel Wolfgang Nadolny feiert den Gottesdienst an Palmsonntag mit der Gemeinde. Er spricht langsamer als gewohnt, in kurzen Sätzen. Die damaligen Verhältnisse, die Herrschaft der Römer, die israelitische Hoffnung auf den Messias, die Zeichen und Wunder Jesu - all das wird übersetzt. Heute kann man Worte sehen: Die Palmenblätter auf dem Weg, den Esel, auf dem Jesus in die Stadt reitet - aber auch die Reinigung des Tempels. Hörende Menschen erleben die Predigt heute zweifach. "Jesus Christus findet immer Wege, seinen Willen kundzutun und sich denen zu offenbaren, die ihn suchen.", so der Bezirksapostel. In diesem Gottesdienst wird diese Aussage greifbar, nahezu plakativ. Und so ist der Gottesdienstbesucher beinahe dabei, als Jesus den Tempel reinigt. Der Tempel sei der Inbegriff der Heiligkeit Gottes in damaliger Zeit, gebaut aus Gold, Marmor, edlen Hölzern. Und mittendrin habe das Vieh gestanden, dass als Opfer gekauft werden konnte. Das sei durchaus praktisch gewesen, wenn zum Beispiel jemand von weit her nach Jerusalem gereist war. Der Zwang, eigene Währung in Tempelmünzen zu tauschen, habe Wechsler notwendig gemacht. Darüber sei aber das "Geistige in den Hintergrund getreten". Die innere Haltung der Menschen habe nicht mehr die Liebe zu Gott erkennen lassen. Diese Gefahr bestehe auch heute, macht der Bezirksapostel deutlich: "Ich mache ja so viel, bete, gehe in die Kirche, opfere - jetzt muss Gott auch einmal etwas für mich tun". Diese Haltung degradiere Gott zum Erfüllungsgehilfen eigener Wünsche. Deshalb müsse man sich immer wieder die Frage stellen, "Was ist denn mit meinem Tempel, was ist meine Motivation?"
Die Geschichte der Gemeinde der Hörgeschädigten geht zurück bis die 1970er Jahre. Sie hat ihren Anfang in Niedersachsen. Hier werden Gottesdienste mit Übersetzung angeboten, an denen auch Berliner teilnehmen. Unter den damaligen politischen Verhältnissen ist das mit Reiseschwierigkeiten und erheblichem Aufwand verbunden. Anfang 1989 findet dann der erste Gottesdienst auf Berliner Gebiet statt: Priester Rainer Knigge aus Braunschweig feiert ihn mit den Gläubigen in Berlin-Haselhorst.
Heute finden sich die hörgeschädigten Mitglieder der Kirche einmal monatlich in unterschiedlichen Gemeinden zusammen und feiern Gottesdienst. Darüber hinaus gibt es deutschlandweite Treffen. Seelsorgerisch werden sie von den Amtsträgern der Heimatgemeinde betreut. Sofern notwendig, werden diese von einem Dolmetscher der Gruppe begleitet. Die Motivation, die Gebärdensprache zu erlernen, entstehe oft im nahen Umfeld, erklärt Bezirksälteste i.R. Jürgen Jesske. Er betreut die Berliner Gruppe im Auftrag des Bezirksapostels. Zwei Dolmetscherinnen hätten die Ausbildung begonnen, weil ihr Vater immer schlechter habe hören können. Im Jahr 2008 hätten sie mit der Übersetzung der Gottesdienste in die Gebärdensprache begonnen. Eine andere Glaubensschwester sei bei einem Jugendtag in Niedersachsen auf diese Arbeit aufmerksam geworden. Inzwischen unterstütze sie seit 2010 ebenfalls die Gruppe in Berlin. Ziel der Arbeit sei es, Hörgeschädigte in ihren Heimatgemeinden zu integrieren und ihnen das Wort Gottes nahe zu bringen - es eben sichtbar zu machen.
Text/Fotos: jel