Zum russischen Weihnachtsfest reiste Bezirksapostel Wolfgang Nadolny vom 4. bis zum 11. Januar 2016 nach Russland. Zuerst besuchte er die Gemeinden im fernen Osten, um schließlich in Moskau mit allen Aposteln und Bischöfen des Landes zu Besprechungen zusammenzukommen. Priester Guido Wernicke, der seit gut einem Jahr die Verwaltung der Gebietskirche Berlin-Brandenburg leitet, begleitete den Bezirksapostel, um sich einen Eindruck von Land und Leuten zu machen. Sein Erleben hat er im nachfolgenden Bericht niedergeschrieben.
Am 4. Januar 2016, an einem trockenen und schneefreien Vormittag, beginnt die Reise nach Fernost. Ich bin gespannt, was mich in den Weiten Russlands erwartet. Mit unserem Gepäck finden wir uns um zehn Uhr zum Abflug auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ein. Der Weg führt zunächst nach Moskau und dann weiter in das rund 8.000 Kilometer entfernte Jushno Sachalinsk. Die gesamte Reisezeit beträgt rund 14 Stunden. Bedingt durch neun Stunden Zeitverschiebung, erfolgt die Ankunft gegen neun Uhr Ortszeit. Wir werden von Apostel Marat Aktschurin und einigen Brüdern der Gemeinde freudig begrüßt.
Nach einer kurzen Erholungspause im Hotel machen wir uns auf den Weg zum ersten Gottesdienst dieser Reise, der um 15 Uhr angesetzt ist.
Strahlender Sonnenschein und „milde“ minus elf Grad
Wer – so wie ich – noch nie in diese Gegend gereist ist, für den sind folgende Dinge sofort auffällig: Über 90 Prozent aller Fahrzeuge werden rechtsgelenkt, obwohl, wie in ganz Russland, auch hier Rechtsverkehr herrscht. Das liegt an der Nähe zu Japan und dem günstigen Bezug von japanischen Autos. Des Weiteren fällt auf, dass die dort lebenden Menschen die Autos mit zugezogener Jacke und warmer Mütze auf dem Kopf bei gleichzeitig voll aufgedrehter Heizung fahren. Für den Westeuropäer ist das sehr gewöhnungsbedürftig und nicht immer leicht auszuhalten. Die Hotelzimmer sind auch sehr gut geheizt und viele Heizkörper haben gar keine Möglichkeit der Regulierung. Es bleibt also nur, bei zirka 25 Grad im Zimmer und den eisigen Temperaturen außen, mit angekipptem Fenster zu schlafen.
Jushno Sachalinsk begrüßt uns mit strahlender Sonne und "milden" minus elf Grad. Neuschnee gibt es nicht. Gleichwohl wirken die Skipisten rund um den Ort sehr verlockend. Unsere Reise fällt mitten in die russische Weihnachtszeit. Das Kirchenlokal von Jushno Sachalinsk ist ein kleiner Gewerberaum im Erdgeschoss in einer Wohngegend und fasst höchstens 40 Personen. Neben dem Altar steht ein kleiner Weihnachtsbaum. Die Stimmung im gesamten Land ist recht weihnachtlich und die Städte und Geschäfte sind entsprechend geschmückt. In den meisten Hotels wird bereits morgens zum Frühstück Weihnachtsmusik gespielt. Ein seltsames Gefühl, da wir mit der Weihnachtszeit in Deutschland schon innerlich abgeschlossen hatten.
Übermüdet, gleichzeitig aber auch etwas aufgedreht
Insgesamt nehmen 18 Personen an dem Gottesdienst in Jushno Sachalinsk teil. In dieser Zahl sind der Bezirksapostel und seine Begleiter bereits inbegriffen. Die beiden ortsansässigen jungen Priester erfüllen die kleine Gemeinde zusammen mit ihren Familien – insgesamt fünf Kinder – mit Leben. Sie dienen in ihrem Amtsauftrag bei allen Schwierigkeiten mit viel Leidenschaft und Begeisterung. Der Bezirksapostel stellt den Gottesdienst unter das Bibelwort aus 2. Petrus 1,19. Im Anschluss ist man noch ein wenig zusammen und pflegt Gemeinschaft. Doch am Abend geht schon wieder der Flug zur zweiten Etappe dieser Reise, nach Wladiwostok.
Nach zweistündigem Flug erreichen wir um Mitternacht das Hotel. Bedingt durch die sehr lange und ereignisreiche Anreise sind wir alle übermüdet, gleichzeitig aber auch etwas aufgedreht, so paradox das auch klingen mag. Gemeinsam lassen wir den ersten langen Reisetag mit seinen vielen tausend Kilometern in Ruhe ausklingen.
Spontane Amtsträgerversammlung
Bereits um zwölf Uhr des Folgetages beginnt der Gottesdienst in Wladiwostok. Hier befindet sich das Kirchenlokal im Erdgeschoss eines Wohnhauses. Es fasst zirka 80 Teilnehmer. Der Bezirksapostel legt dem Gottesdienst das Bibelwort zugrunde, über das Stammapostel Jean-Luc Schneider am 20. Dezember 2015 in Astana/Kasachstan gepredigt hat: Römer 12,13. Insgesamt nehmen 22 Personen an dem Gottesdienst teil. Auffällig ist die doch recht große Schar von fünf Amtsträgern. Neben dem Vorsteher, einem Gemeindeevangelisten, sind noch drei Priester und ein Diakon in dieser Gemeinde tätig.
Im Anschluss an den Gottesdienst werden im Kirchenlokal rasch zwei Tische aufgestellt. Alle helfen mit, die so entstandene Tafel zu decken. Es wird Tee, Kaffee und Gebäck gereicht. Ein schöner Ausklang des Gottesdienstes. Später findet noch spontan eine Amtsträgerversammlung mit dem Bibelwort aus Hebräer 4, 14-16 als geistliche Grundlage statt. Dabei geht es um das nur durch den Glauben erfassbare Wunder der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Er hat auf seine göttlichen Privilegien verzichtet und ist aus Liebe zu den Menschen gekommen, um ihnen zu dienen und sie zu erlösen. Die Liebe zu Gott und seinen Kindern müsse auch für einen Amtsträger die Motivation zum Dienst sein, führt der Bezirksapostel aus. Besonders schön ist dessen Bitte, dass jeder seine Gedanken und Gefühle zu dem Thema äußern möge. So entsteht ein Blumenstrauß an Erlebnissen und Empfindungen.
Wladiwostok – ein bisschen wie San Francisco
Am Nachmittag besteht für mich die Möglichkeit zu einer kleinen Stadtbesichtigung. In Wladiwostok ist es an diesem Tage bei minus 15 Grad sehr sonnig, jedoch weht ein kalter Wind. Es liegt, ungewöhnlich für diese Jahreszeit, kaum Schnee. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Viele Neubauten entstanden und Infrastrukturmaßnahmen sind umgesetzt worden. So findet sich ein Mix aus sehr alten und neuen Ecken im ganzen Stadtgebiet. Hervorzuheben ist die Vielzahl der Häfen (Militär, Tourismus, Fischerei, Industrie) sowie das enorme Gefälle in den Straßen. Es erinnert sehr an San Francisco, nur fehlt die gute alte Cable Car. Seit kurzem wird Wladiwostok auf der Liste der zehn wirtschaftlich aussichtsreichsten Städte von ganz Russland geführt. Diese Aufbruchsstimmung ist zu spüren. China liegt nur 100 Kilometer entfernt. Die Haupthandelsströme aus Japan, China und Ländern des südöstlichen Asiens laufen über Wladiwostok. Zurück im Hotel gehen wir zeitig schlafen, denn der Shuttle zum Flughafen erfolgt am nächsten Tag bereits um fünf Uhr.
Die nächste Etappe ist Chabarowsk. Nach einem rund 90-minütigen Flug ist der Ort erreicht. Wie schon fast zur Gewohnheit geworden, begrüßt uns strahlender Sonnenschein bei minus 17 Grad, jedoch mit einem schneidenden Wind. Glaubensgeschwister fahren uns ins Hotel. Hier heißt es, sich kurz frisch zu machen, denn in knapp zwei Stunden geht es zum Weihnachtsgottesdienst in die Gemeinde Chabarowsk. Dieser steht unter dem Bibelwort aus 1. Johannes 4,14. Ich erlebe ein zweites Weihnachtsfest.
Ein Kirchengebäude als Anziehungspunkt
Die Gemeinde hier hat ein eigenes Gebäude. Es ist sehr auffällig und war kurz nach Fertigstellung aufgrund des Baustils, nach Aussage der hiesigen Gemeindemitglieder, ein echter Anziehungspunkt, eine neue Sehenswürdigkeit in der Stadt. Leider hat der aufwendige Baustil auch Nachteile. So gibt es diverse Schwachpunkte am Gebäude, unter anderem wird das Regen- und Schmelzwasser nicht vernünftig abgewiesen. Das führt zu häufiger Undichtigkeit des Gebäudes. Ferner wird der Kirchensaal, bedingt durch die großen, jedoch spärlich isolierten Fensterfronten, nicht richtig warm. Die Temperatur liegt weit unter den als angenehm empfundenen 21 Grad. Gleichzeitig ist durch die Deckenhöhe eine besondere Thermik vorhanden: Man hat den Eindruck, dass es permanent zieht. Unter anderem äußert sich das auch in dem regelmäßigen Zuklappen der nicht schnappbaren Tür zum Kirchenschiff während des Gottesdienstes. Das große Kirchenschiff fasst ursprünglich bis zu 200 Personen.
Zu diesem Festgottesdienst versammeln sich 34 Gläubige und die Gemeinde erhält einen neuen Priester. Nach dem Gottesdienst trägt ein etwa zehn Jahre alter Junge der Gemeinde ein Lied vor. Hierzu stellt er sich selbstbewusst vor den Altar und singt mit kräftiger Stimme. Im Anschluss findet in einem Nebenraum wieder ein gemeinsamer Ausklang mit Gebäck, Tee und Kaffee statt. Damit geht der Tag in Ruhe zu Ende.
Festgottesdienst in Moskau
Am Freitag, 8. Januar 2016 erfolgt um die Mittagszeit die Abreise nach Moskau. Die Reisedauer beträgt vom Verlassen des Hotels in Chabarowsk bis zum Betreten des Hotels in Moskau rund zwölf Stunden. Am Moskauer Flughafen Scheremetjewo werden wir von dem im Ruhestand befindlichen Hirten Nikolai empfangen und zum Hotel gebracht. Nach dem Einchecken im Hotel erfolgt nur noch ein gemeinsames Abendessen, dann klingt der Abend aus. Im Laufe des Samstages treffen die russischen Apostel und Bischöfe ein. Gleichzeitig werden die Sitzungen an den beiden Folgetagen vorbereitet und der Bezirksapostel nutzt die Zeit für einen Besuch bei Apostel Lasarew. Um 18 Uhr werden alle angereisten Apostel und Bischöfe offiziell vom Bezirksapostel begrüßt. Es folgt ein gemeinsames Abendessen.
Am Sonntag, 10. Januar 2016 beginnt um zehn Uhr ein wahrer Festgottesdienst in Moskau. Neben dem Bezirksapostel und allen russischen Aposteln und Bischöfen sind als Zuhörer auch Apostel Gamow und Apostel i. R. Kondraschow anwesend. Der Bezirksapostel predigt kraftvoll über das Bibelwort aus Lukas 1,37.38. Die Kirche ist gut gefüllt. Insgesamt nehmen 64 Personen an dem Gottesdienst teil. Es predigen Bischof Hanajew, Apostel Bastrikow sowie Bezirksältester Scharin mit. Ferner gibt es auch Segenshandlungen: Ein wenige Monate altes Kind wird getauft und versiegelt. Während der Handlung zieht der kleine Knirps so viele Grimassen, dass es eine wahre Freude für alle ist. Im Anschluss merkt der Bezirksapostel an, dass das Kind vermutlich mal Komiker werde. Dann informiert er die Geschwister noch über die neuen Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten der Apostel. Durch die Ruhesetzungen von Apostel Malyschew im Dezember 2015 und von Apostel Berndt im Februar 2016 wird eine Neuaufteilung notwendig.
Eine Apostel- und Bischofskonferenz zum Abschluss
Nach einem gemeinsamen Mittagessen findet die erste Besprechung des Bezirksapostels mit den russischen Aposteln statt. Um 19 Uhr essen wir zu Abend und gegen 22 Uhr wird der Tag mit gemeinsamem Gebet beschlossen.
Am Montag, 11. Januar 2016 beginnt um neun Uhr die Apostel- und Bischofskonferenz mit den russischen Amtsbrüdern. Neben den Reiseabstimmungen für 2016, insbesondere im Hinblick auf die Neuaufteilung der Apostelbereiche, werden noch diverse Verwaltungsthemen besprochen. Gegen 15 Uhr endet die Sitzung und der Bezirksapostel tritt mit seinen Begleitern die Heimreise an. Bedingt durch die Festtage sind die Moskauer Straßen relativ leer und wir kommen gut voran.
Mit der Landung kurz vor 22 Uhr in Berlin-Schönfeld endet eine ereignisreiche Reise mit vielen Eindrücken. Rund 17.000 Kilometern und viele Begegnungen mit lieben Geschwistern liegen nun hinter uns.
GW