Kreuz und quer durch Sibirien

Vom 14. bis zum 24. September 2017 bereiste Bezirksapostel Wolfgang Nadolny Sibirien. Neben der Feier von Gottesdiensten mit den Gemeinden standen auch Besprechungen mit den verantwortlichen Amtsträgern sowie ein Ausflug auf den Fluss Lena auf dem Programm. Während seiner Reise legte er etwa 15.600 Kilometer mit dem Flugzeug und 1.300 Kilometer mit dem Auto zurück.

Reisebericht

Die Reise begann am Donnerstag, dem 14. September. Vom Flughafen Berlin-Schönefeld ging es mit der Aeroflot zunächst nach Moskau-Sheremetschewo und nach fünfstündiger Wartezeit weiter nach Jakutsk. Dort landete die Boeing 737 nach sechs Stunden Flug am Freitag pünktlich um 11 Uhr, nach Mitteleuropäischer Zeit 4 Uhr morgens. Um 18 Uhr stand der erste Termin dieser Reise auf dem Programm: Begrüßung der Ältesten aus dem Bereich des Apostels Marat Aktschurin und gemeinsames Abendessen. Die Wiedersehensfreude war groß und schnell kam es zu einer angeregten Unterhaltung.

Der nächste Tag, es war Samstag, begann nach dem Frühstück mit einer Arbeitssitzung in einem Besprechungsraum des Hotels. Nach einigen geistlichen Gedanken zur Stärkung und Ausrichtung der Brüder berichtete jeder Ältester von seinem Bereich. Die Anforderungen sind ganz andere, als wir sie in Europa haben. Da sind zunächst einmal die weiten Wege in die Gemeinden. Will der Älteste, der Bischof oder der Apostel eine Gemeinde besuchen, so geht das nur per Flugzeug. Manchmal müssen sie dazu sogar erst nach Moskau fliegen, um dann mit einem weiteren Flug das gewünschte Ziel zu erreichen. Bei diesen Entfernungen sind die örtlichen Brüder oft auf sich allein gestellt. Ein Vorsteheraustausch oder mal schnell einen Priester aus der Nachgemeinde schicken, damit der Vorsteher nicht alleine den Gottesdienst halten muss - undenkbar.

Und dann sind da noch die klimatischen Bedingungen. Im Sommer kann das Thermometer schon mal auf 30 Grad Celsius und mehr steigen. Dann gibt es kleine Mücken und Stechfliegen in einer unzählbaren Schar. Selbst beim tief Luftholen hat man sie im Mund und Nase. Im Winter fallen die Temperaturen auf bis -50 Grad und manchmal noch tiefer. Dazu jede Menge Schnee. Im Dezember scheint die Sonne eine halbe Stunde pro Tag, die restliche Zeit ist es einfach nur dunkel. Das ist eine enorme psychische Belastung für die Menschen.

Wir begaben uns auf den Weg zu unserer Kirche. Sie befindet sich im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Wohnhauses. Erdgeschoss - das bedeutet in dieser Region etwa zwei Meter oberhalb der Geländes. Aufgrund des Permafrostes erfolgt die Gründung der Gebäude auf Betonpfählen. Diese werden in die Erde getrieben, bis in die Frostschicht hinein. Darauf wird dann die Bodenplatte in dem genannten Abstand zum Erdreich montiert. Diese aufwändige Bauweise ist notwendig, damit die Häuser nicht "wegschwimmen". In dem kurzen Sommer taut der Boden drei bis fünf Meter auf. Darunter ist der "ewige Frost". Das Schmelz- und Regenwasser kann nur soweit eindringen, wie der Boden aufgetaut ist. Als einfacher Erdenbewohner merkt man das nicht, aber ein schweres Gebäude mit den entsprechenden Lasten würde bei mangelnder Gründungstiefe auf dieser durchfeuchteten Erdschicht "schwimmen" und über kurz oder lang einstürzen.

Nach einem kurzen Mittagsimbiss begaben wir uns an eine Anlegestelle für kleinen Ausflugsboote und Wassertaxis an einem Seitenarm der Lena. Wir bestiegen eines der Boote und fuhren eine Stunde flussaufwärts. Zu dieser Jahreszeit ist die Lena sanft und zahm. Aber an den Ufern sind deutlich die Spuren ihrer Wildheit zu sehen. Die Böschungen sind teilweise vom Wasser weggerissen. An den Bäumen ist sehr deutliche eine Linie zu sehen, fast wie mit dem Lineal gezogen. Bis zu dieser Linie stand im Frühsommer, zur Zeit der Schneeschmelze, das Wasser. Dann erreicht der Fluss stellenweise eine Breite von bis zu 15 km. Seit Jahren wird von den Ingenieuren der Bau einer Brücke geplant. Aber der Untergrund mit dem Permafrost und die enormen Schwankungen des Wasserstandes, eben einfach die Unbezwingbarkeit der Lena stellen eine riesige Herausforderung dar.

Am Montag mussten wir gegen 5 Uhr aufstehen, denn um 8 Uhr ging unser Reise weiter. Mit einer neuen Maschine vom Typ Superjet 100, einem Düsenjet aus russischer Produktion, ging es nach Nerungri, eine Stadt 800 Kilometer südlich von Jakutsk. Der Flughafen liegt 40 Kilometer nördlich der Stadt, sodass wir nach der Landung noch knappe einer Stunde mit dem Auto unterwegs waren. Nerungri ist eine recht junge Stadt, die erst 1975 aufgrund der Steinkohlevorkommen entstanden ist.

Am Mittwoch - es war inzwischen der 20. September - verließen wir gegen Mittag das Hotel. Unsere Reise ging weiter nach Mirny. Wieder bestiegen wir eine AN 24 und flogen 800 Kilometer westwärts. Nach der Landung blieb nur wenige Zeit bis zum Gottesdienst. Schnell ins Hotel, einchecken, umziehen und dann zu unserer Kirchenwohnung. Dort hatten sich 23 Geschwister eingefunden. Der Sohn unseres Priesters und seiner Frau wurde getauft und versiegelt.

Am nächsten Morgen hieß es wieder Kofferpacken und weiter nach Irkutsk. Der Flug dauerte fast zwei Stunden. Leider hingen die Wolken recht tief, sodass nur kurz die Möglichkeit zum Fotografieren gegeben war. Beim Start in Mirny hatten wir aber einen guten Blick auf den Tagebau, in dem Diamanten abgebaut werden. Ein riesiges Loch fast mitten in der Stadt von etwa 500 Meter Tiefe. Vom Tagebau aus werden Stollen ins Erdreich getrieben, um die kostbaren Steine zu gewinnen. Wenige Tage vor unserem Besuch kam es in einem der Stollen zu einem Wassereinbruch. Acht Bergleute sind dabei ums Leben gekommen.

Nach dem Gottesdienst fand noch eine Teestunde statt. Dabei sagt eine ältere Schwester, dass ihr ein harter Winter bevorstünde. Auf die Frage, ob es den sehr kalt werden würde oder viel Schnee zu erwarten sei, antwortete sie, dass sie es nicht wisse. Aber ihre Kartoffelernte sei in diesem Jahr nicht gut gewesen. Deshalb werde für sie der Winter hart. Bei solchen Aussagen und der Freude in den Augen der Geschwister verliert die Frage, ob sich eine solche Reise bei so kleinen Gemeinden überhaupt lohne, völlig an Bedeutung. Wir sind gewiss, dass sie über etliche Wochen von der Begegnung zehren werden.

Am nächsten Morgen traten wir die Rückfahrt nach Irkutsk an. Das Wetter war herbstlich, mal schien die Sonne und dann regnete es wieder. Wenn aber die Sonne schien, zeigte sich der Herbst von seiner besten Seite. Wie gemalt breitete sich das weite Land aus. Bunte Birken hoben sich vom blauen Himmel ab. Vorbei an sibirischen Dörfern mit ihren kleinen Häusern, von denen man den Eindruck hat, sie würden sich vor dem nahenden Winter versuchen zu ducken, ging die Fahrt gen Süden. Für Pausen nahmen wir uns keine Zeit, denn in Irkutsk erwarteten uns die Apostel und Bischöfe aus Russland und Kasachstan.

Der letzte Tag der Reise brach an. Um 9:30 Uhr begann der Gottesdienst. Die Himmelfahrt Elias und die Situation seines Nachfolgers, des Propheten Elisa, bildeten den Schwerpunkt des Gottesdienstes. Ein Kind konnte versiegelt werden.

Noch während die Gemeinde das Schlusslied sang, zogen wir in den Nebenräumen unser Reisekleidung an. Nach herzlicher Verabschiedung ging es zum Flughafen. Der Flug nach Moskau dauerte etwas über fünf Stunden. Die Boeing 737 landete pünktlich in Moskau. Auch der Weiterflug nach Berlin verlief pünktlich und ohne Komplikationen. Aufgrund dessen, dass wir mit der Zeit reisten, landeten wir nach insgesamt zwölf Stunden Reisedauer um 17:20 Uhr in Berlin. Müde und dankbar sind wir wieder zu Hause angekommen, Gott hat zur Reise Gnade gegeben.

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